Fortsetzung von „Ist sie nicht süß?“

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Kurz vor einer Gallenblasenoperation wird Carlos von einem Wesen namens Rachel aufgefordert, seine Vergangenheit zu betrachten. Bei der Suche nach unverarbeiteten Traumen stößt Carlos mit Rachels Hilfe auf seine Kriegsdienstverweigerung und auf die Tatsache, daß der Vorsitzende des Prüfungsausschusses als Mitglied der NSDAP und der Waffen-SS während des Dritten Reichs in Erfurt und Magdeburg Unrecht gesprochen hatte.

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„Liebe Rachel,“ sagte Carlos, „sei so freundlich und informiere mich zuerst darüber, ob dieser miese Kerl noch lebt.“

Rachel brauchte nicht lange, um festzustellen, daß Carlos Peiniger schon vor einigen Jahren gestorben war.

„Und was machen wir jetzt?“ überlegte Carlos.

Die beiden schwiegen für ein Weile, bis Carlos die Ärztin bat, mehr von ihren Fähigkeiten zu erzählen. Rachel jedoch forderte Carlos auf, nach innen zu schauen.

„Erst einmal dreht es sich um dich, um deine Gefühle. Um all das, was in dir schlummert. Erzähle mir, was damals passiert ist, wie dein Leben durch die Armee verändert worden ist. Wie wäre dein Leben verlaufen, wenn du Zivildienst gemacht hättest?“

Carlos wehrte ab.

„Ich mag jetzt nicht daran denken. Jedenfalls nicht so kurz vor der Operation. Aber damit du es weißt, erzähle ich es dir. Ich bin mehr wütend auf mich als auf alle anderen zusammen.“

Rachel ließ sich nicht aus der Fassung bringen. „Kannst du mir sagen, wer Täter und wer Opfer war? Du hast deinen Schmerz, deine Wut und deinen Zorn nach innen gegen dich selbst gerichtet. Spürst du das?“

„Wenn ich jetzt die Dynamische machen könnte,“ sagte Carlos, „wäre ich ein Stück weiter. Ich habe alles soweit abgespalten, daß ich durch normales Denken nicht mehr dran komme. Ja, das wäre es. Ich möchte jetzt die Dynamische machen.“

„Kein Problem,“ sagte Rachel, „ich verändere das Zeitgefüge, spiele dir die Meditation auf deinen MP3-Player und dann legst du los.“

Als Carlos sie fragend anschaute, erklärte sie ihm, daß sie eine Art Hologramm sei und seine Psi-Kräfte darstelle.

„Sowohl die Familie deiner Mutter als auch die Familie deines Vaters hatte starke übersinnliche Kräfte. Durch deine spirituelle Arbeit bist du in der Lage, deine Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft bis zu sieben Generationen tiefgreifend zu verändern. Nutze diese Kraft, denn du wirst in den kommenden Auseinandersetzungen noch gebraucht.“

Nach der Dynamischen lachte Carlos. Und schließlich berichtete er.

„Eigentlich macht Rache keinen Sinn, denn Gewalt erzeugt Gegengewalt. Das ist meine tiefste Einsicht. Irgendwann jedoch kam mir während der Meditation der Gedanke, diesen Nazi auf eine Dienstfahrt zu schicken und seinem Gebaren ein Ende zu bereiten. Also lassen wir ihn Anfang der siebziger Jahre kurz vor meiner Verhandlung auf einer Reise nach Westberlin in der DDR verschwinden. Du suggerierst ihm, daß er sich unbedingt Magdeburg anschauen muß. Er entfernt er sich illegal von der Transitstrecke und wird vom Stasi auf frischer Tat ertappt. Während er in Bautzen einsitzt, bekomme ich eine faire Verhandlung mit einem liberalen Vorsitzenden und Beisitzern, die mir wohl gesonnen sind.“

„Kein Problem,“ nickte Rachel, „schon erledigt.“

„Und als nächstes sollte ich dem Kerl posthum eine deftige Ohrfeige versetzen.“

Während Carlos aufstand und mit Schattenboxen begann, lachte Rachel. „So sexy, wie du mit deinen Fischnetzstrümpfen aussiehst, könnten wir fast auf andere Ideen kommen.“

Doch Carlos hörte sie nicht mehr. Erschöpft durch die Meditation und den Boxkampf lag er schlafend auf dem Krankenhausbett.

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